1795 – 1875
Wer ruhen darf, der süßen Muße
pflegen,
Dem hat sich wohl in manchen
Weihestunden
Ein Verschen um die Schläfe
schon gewunden,
Das wollt’ er gern sich an dem
Herzen hegen.
Und was ihm blüht wie auf
einsamen Wegen,
Er hat es sich zum duftgen
Strauß gebunden,
Und wenn er eine gütge Hand
gefunden,
Wollt’ ers darein zur kleinen
Spende legen.
Man läßt im Lenz ein Veilchen
sich belieben
Doch auch im Herbst noch eine
Heckenrose,
Die spät die Sonne an das
Licht getrieben.
So will ich jetzt, den Abend
mir zu schmücken,
Noch legen still zu dem und
jenem Schooße
Ein paar der Blümchen, die ich
durfte pflücken.
1795 – 1875
Was will mit weichen Armen uns
umschlingen,
Erinnrung ist es sonst
verlebter Stunden,
Wo so viel Liebes sich zu uns
gefunden,
Wo durften wir die Zeit so
schön verbringen.
Was damals wollte blühend uns
umringen,
Was wir erstrebt, in tiefer
Brust empfunden,
Was fest sich um die Herzen
uns gewunden,
Sie läßt es nach uns in dem
Innern klingen.
Mag, was uns will die
Gegenwart entbieten,
Auch bitter sein, uns hart und
schwer bedrücken,
Abstreifen uns des Lebens
duftge Blüthen,
Darf sie noch lieblich vor den
Blick uns malen,
Woran wir einst uns durften
hoch entzücken,
So manches Bild mit
sonnenhellen Strahlen.
1795 – 1875
Noch seh’ ich es, das grüne
Dörfchen, winken,
Wo wir im kühlen
Baumesschatten saßen,
Ergingen uns auf blumenreichen
Rasen,
Mit süßer Lust den Morgenhauch
zu trinken.
Noch seh’ ich es, das schmucke
Häuschen, blinken,
Das wir zur stillen Wohnung
dort besaßen,
Wo traulich weilend Alles wir
vergaßen,
Kein prächtig Schloß uns
schöner wollte dünken.
O Heimathsort, zu deinen
stillen Räumen,
Zu deinen Wäldern, Gärten,
Wiesen, Auen
Will ich zurück noch immer
gern mich träumen!
Wie wars so lockend in der
Kindheit Tagen,
Wie war so rosig Alles
anzuschauen,
Wie durft’ so fröhlich uns das
Herz noch schlagen!
1795 – 1875
Oft ritt mein Vater, wie er
wollt’ so pflegen,
Von seinem weißen Rößchen
stolz getragen,
An arbeitsfreien, schönen
Sommertagen
Nach manchem Dörfchen, uns
zunächst gelegen.
Dann durft’ ich, ihn
begleitend auf den Wegen,
Mich selbst aufs Roß, ein
Steckenpferdchen, wagen,
Antreibend es zum schnellen
Fluge jagen
Bergauf, bergab, ein Reiter,
kühn verwegen.
Und wollt’ sein Roß im raschen
Trab er führen,
Voll Lust konnt’ ich mit
flinkgehobnen Tritten,
Das Gertchen schwingend, nach
ihm galoppieren.
Dann ließen wir die müden
Rößlein säumen,
Bald hier, bald dort, in
lieber Freunde Mitten,
Um Abends dann zur Heimkehr
sie zu zäumen.
1795 – 1875
Dort, wo im schönen, stillen
Tauberthale
Ergrünen rings die
schlankgewachs’nen Reben,
Des Herbstes süße Früchte
darzugeben,
Da weilt mein Sinn noch jetzt
viel tausendmale.
Wie gern ich mir der Jugend
Zeit noch male,
Wo auf den Hügeln, die sich
leicht erheben,
Wir führten ein so
frohbewegtes Leben,
Viel schöner, als im schönsten
Freudensaale!
Und Trauben, Nüsse, Äpfel,
Birnen, Pflaumen
Bot uns der Herbst im reichen
Rebengarten
Zur süßen Lust, ein leckres
Mahl dem Gaumen.
An jedem Morgen, in den ersten
Frühen,
Die wir vor Sehnsucht konnten
kaum erwarten,
Durst’ uns darin das Glück von
neuem blühen.
1795 – 1875
Wie wars so schön in frohen
Jugendzeiten,
Wenn wir den Weihnachtsbaum
mit Lichtern schmückten,
An seinen goldnen Flittern uns
entzückten,
Und Gaben lockten uns von
allen Seiten!
Wohin wir unsre Blicke wollten
leiten,
Wir fanden, was wir mit
Frohlocken pflückten
Vom hellen Baum, den fast die
Lasten drückten,
Die durften sich auf allen
Zweigen breiten.
Wie wars so schön! Nun ist die
Lust vorüber,
Die in der Jugend hoch das
Herz uns schwellte;
Das Licht des Lebens brennet
trüb und trüber.
Wie bald erlischt es in den
letzten Funken!
Dann ist der Lebensbaum, der
sonst sich hellte,
Hinab mit uns zur dunklen
Nacht gesunken.
1795 – 1875
Nimm, Söhnchen, dir die süßen
Marcipane,
Die Äpfel, Nüsse von dem
Weihnachtsbaume,
Das Pferdchen wähl dir mit dem
rothen Zaume,
Den Reiter drauf mit
goldgestickter Fahne.
Nimm dir den Schiffer mit em
kleinen Kahne,
Geformt dir süß aus lauter
Zuckerschaume,
Und, wie du’s schöner denkst
dir nicht im Traume,
Das Häuschen mit der
niedlichen Altane.
Schau dir die Bilder in dem
goldnen Buche,
Die schönen Hefte, Federn,
Stifte, Messer,
Das Machsstöcklein, dir helles
Licht zu zünden.
Am Baum, am Tischlein, überall
dir suche,
Was dünkt von so viel Sachen
dir noch besser;
Ist Alles dein, was rings du
weißt zu finden.
1795 – 1875
Nimm dir, mein Töchterchen,
vor allen Dingen
Die Puppen hier mit schmucken
Toiletten,
Mit grünen Hütchen und mit
violetten,
Wie eben sie die neusten Moden
bringen.
Dann wähl dir eine Cordel aus
zum Springen,
Und Federbälle, hübsche
Ringelketten,
Auch Büschelchen mit
niedlichen Vignetten,
Und Schmetterlinge mit den
bunten Schwingen.
Wähl dir den Schäfer mit der
wollnen Heerde,
Den Krämer mit dem
reichgespickten Laden,
Das Gärtchen mit der
zuckersüßen Erde.
Dann schneid vom Baum dir ab
die goldnen Nüsse,
Die Silberäpfel, die ihn rings
beladen,
Und wenn du willst, das
Englein. honigsüße.
1795 – 1875
Was wünscht’ ich mir noch
einmal gern zurück
Von dem, was mir die Zeit
hinweg genommen,
Was ist in ihren Fluthen mir
verschwommen,
Das ist der Jugend warm
empfundnes Glück.
Noch sonnet sich mir hell des Auges
Blick,
Wenn denk’ ich dran, wofür
mein Herz entglommen,
Wofür ich war begeistert
hingenommen,
Was ich gehofft vom werdenden
Geschick.
Ich zürnte, schmollte, durfte
schwärmen, lieben,
Wob Träume mir, und ließ sie
mir zerstieben,
Und blieb doch harmlos immer,
frisch und froh.
Ob auch das Glück mich
neidisch einmal floh,
Ich ließ es schmerzlos mir
vorüber ziehen,
Bald, dacht’ ich, wird es
schöner noch mir blühen.
1795 – 1875
Jahrzehnte sinds, daß ich mit
hohen Wonnen
Zuerst betrat des heilgen
Amtes Schwellen,
In seinen Dienst, ein
Jüngling, mich zu stellen,
Doch durft’ ich mich an
manchem Glück schon sonnen.
Was freudig ich, doch
halbverzagt begonnen,
Wie wenn ein Schifflein
schwankt auf hohen Wellen,
Bis allgemach die Wolken sich
aufhellen,
Hat fest sich bald mir um das
Herz gesponnen.
Des Wortes goldnen Samen
auszustreuen,
Der Garben kann zur großen
Erndte bringen,
Das wollt’ zu jedem Tag mich
hoch erfreuen.
Und durft’ es mir aus manchem
Auge blicken,
Daß in das Herz ein Körnlein
wollte dringen,
Wie war mir das ein seliges
Entzücken!
1795 – 1875
Wie heißt der Dom, wo hoch die
Säulen streben,
Gen Himmel an die schlanken
Mauern ragen,
Wo Urgeschichten aus der
Vorzeit Tagen
In farbge Fenster sinnig sich
verweben?
Wie heißt der Dom, wo rings
das reiche Leben
Der alten Meister Stätten
aufgeschlagen,
Wo hoch die Kunst darf ihre
Schwingen tragen,
Mit warmen Hauchen über
Steinen schweben?
St. Lorenz ist’s in
altberühmten Räumen,
Ein hehres Denkmal colossaler
Zeiten,
Die nur noch leben in der
Enkel Träumen.
Ehrwürdger Bau! Man findet
keinen zweiten
Mit solchen Kunstgebilden sich
umsäumen,
Und heilge Schauer um sich her
verbreiten.
1795 – 1875
Wenn denk’ ich sinnend an die
vorge Zeit,
An all die vielen, schön
durchlebten Stunden,
Die sind mir wie im Traum
dahingeschwunden,
Les’ ich im Buche der
Vergangenheit.
Da find’ ich hier, was schwer ich
oft bereut,
Und dort, was schlug ins Herz
mir tiefe Wunden,
Doch find’ ich auch, was ich
mit Lust empfunden,
Was hoch mich hob, was still
mich oft erfreut.
Da find’ ich dich, der du in
allen Tagen
Mich warm umfaßt, geduldig
mich getragen,
Bis brach dein Herz im harten
Todesschlag.
Da find’ ich dich, der du
zuerst gewiesen
Mich hin zum Quell, draus
Lebensströme fließen,
Da noch ich selbst als wie im
Schlafe lag.
1795 – 1875
Was wär’ es doch, das
vielbewegte Leben,
Das eilend will in manchen
herben Mühen
An uns vorüber hin zum Ende
ziehen,
Wenn dürft’ sich nicht die
Liebe drein verweben?
Sie ist zum süßen Labsal uns
gegeben,
Wenn Alles will vor unserm
Blick entfliehen,
Im Alter selbst läßt sie noch Freuden
blühen,
Das müde Haupt mit Lust empor
zu heben.
So viel des Guten ward mir
zugewogen
In all den schönen,
langgezählten Jahren,
Die um mein Leben blühend sich
gezogen.
Doch daß so viel der Herzen
ich gefunden,
Die treu bewährt in jeder
Schickung waren,
Es wob das Beste mir in alle
Stunden.
1795 – 1875
Mit frischen Farben wollt’ ich
Vieles malen
Mir blühend schon, es lockend
mir aussinnenm,
Und mir zur Lust zu eigen es
gewinnen,
Erstreiten selbst wollt’ ich’s
mit kühnem Prahlen.
Und sollt’ ich es mit meinem
Blut bezahlen,
Ich ließ’ es mir aus meinen
Adern rinnen:
So wollt’ es mir das ganze
Herz umspinnen,
Was, meint’ ich, könnte sonnig
mich bestrahlen.
Doch da ichs fand und wog in
meinen Händen,
Schiens unwerth mir, gleich
goldentleerten Schlacken,
Und traurig mußt’ ich mich von
ihm abwenden.
O bittre Täuschung, die so oft
im Leben
Uns wiederkehrt, uns beugt den
stolzen Nacken,
O leerer Traum, mit Leid uns
zu umweben!
1795 – 1875
Als jüngst ich mir die
schönste Rose pflückte,
Die lieblich in dem
Blätterschoße glühte,
Wie Morgenroth in hellen
Farben sprühte,
Da dacht’ ich: Daß kein Sturm
sie mir zerstückte!
Doch als ich wonnig an das
Herz sie drückte,
Zerfiel sie rasch, die eben
noch mir blühte,
Und ob ich um ein Blättlein
noch mich mühte,
Sie schwand dahin, die eben
mich entzückte.
So wars auch sonst! Was warm
ich mochte lieben,
Sah ich von rauher Hand der
Zeit zerrieben,
Vor meinem Blick zerfallen und
zerstieben.
Und sank es hin, daß es zu
Staub verwittre,
Nur eine Träne weint’ ich,
eine bittre,
Daß ihm zu Dank in meinem Aug
sie zittre!
1795 – 1875
Was dich erfreut, was hoch
dich einst beglückt,
Das Leben rings dir freundlich
zu gestalten,
Du darfst es nicht mehr in den
Armen halten,
Es ist zu Leid für immer dir
entrückt.
Was jetzt dein Auge rings um
sich erblickt,
Die Stirn dir legt in
wolkenschwere Falten,
Es ist des Schicksals
unheilvolles Walten,
Das hält mit bittern Sorgen
dich umstrickt.
Wenn sonst der junge Morgen
ist erwacht,
Da konntest du frohlockend ihn
begrüßen,
Weil noch das Herz vor Lust
dir aufgelacht.
Nun ist’s, daß er zu Schmerzen
dich aufweckt,
Und ob der Sonne Strahlen sich
ausgießen,
Dir ist der Freude goldner
Schein verdeckt.
1795 – 1875
So mußtest du dem Tode denn
erliegen,
So bald schon scheiden von dem
jungen Leben,
Und leicht entbrannt zu
jugendwarmem Streben,
Dich in des Grabes enge Kammer
schmiegen.
Wie Adler sich in sonngen
Höhen wiegen,
So sahn wir dich, Begeistrung
hingegeben,
Zum Höchsten auf mit kühnem
Fluge schweben,
Und nun gelingts dem Tod, dich
zu besiegen.
Vor meinen Augen bist du sanft
verschieden,
Und über deine Leiche
hingebogen
Las ich in deinen Zügen Gottet
Frieden.
Durch trübe Wellen, dunkle
Todeswogen
Bist du, entflammt und nicht
enttäuscht hienieden,
Ans sichre Ufer jenseits
hingezogen.
1795 – 1875
Gleichwie das Licht vom leisen
Windeshauche
Erlischt allmählig bis zum
letzten Brande,
Wie sich die Woge bricht am
grünen Rande,
Daß sie zurück in ihren Schooß
sich tauche;
Wie sanft zum Schlummer neiget
sich das Auge,
Und an des Traumes leichtem
Gängelbande
Hinzaubert sich in weit
entlegne Lande,
Als ob die Welt in seinen Ring
es sauge:
So gingst du hin; des Todes
dunkler Schleier
Wob sich mit weicher Hand um
deine Sinne;
In leisem Odemzug bist du
verschieden.
Es war dein Tod gleich einer
stillen Feier,
Wo wir, uns selbst zum
bleibenden Gewinne,
Ein Bild noch schauten, wie
man stirbt im Frieden,
1795 – 1875
Wo siehet man das Kreuz sich
hoch erheben,
Ein Siegeszeichen, liegen sie
begraben,
Zwei Schwestern, die sich
liebend einst umgaben,
Wie Zweige gleichen Stammes
sich verweben.
Und Mancher ruht im Frieden
noch daneben,
An dessen Liebe durften wir
uns laben,
Den wir mit Thränen eingesenkt
hier haben,
Den wir vergessen nicht,
solang wir leben.
So ruhet sanft im stillen
Grabesschooße,
Die Lieb um Liebe wollet einst
ihr tauschen,
Bis fielen euch die herben
Todesloose.
Ihr gingt von uns, doch seid
ihr unverloren;
Wenn einst des Todes Felder
werden rauschen,
Seid ihr zu neuem Leben uns
geboren.
1795 – 1875
Dort, wo in stillen
Friedensschooß sie liegen,
Die warm wir einst an unser
Herz geschlossen,
Dort sollen ihnen frische
Blumen sprossen,
Die um das Grab mit weichem
Arm sich schmiegen.
Und drüber soll die Luft sich
säuselnd wiegen,
Die sich dem jungen Frühling
hat ergossen,
Zum Lebenszeichen, daß nicht
soll verdrossen,
Nicht trostlos soll das Haupt
zum Staub sich biegen.
Er wachet auf, der Lenz des
neuen Lebens,
Die hochgetragnen Schwingen
auszudehnen;
Wir harren sein und harren
nicht vergebens.
Dann öffnet sich der Schooß,
der darf sie decken,
Die locken nach sich unser
heißes Sehnen,
Bis wird der morgen uns zum
Leben wecken.